FH-Präsident RLP


 

21.09.2006 

7 L 683/06.MZ
 

1. Das dienstliche Interesse am Hinausschieben des Ruhestandsbeginns nach § 55 Abs. 2 LBG bezeichnet das Interesse des Dienstherrn an einer sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung. Angesichts der dem Dienstherrn insoweit zukommenden Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit ist die gerichtliche Kontrolle solcher Entscheidungen auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von diesem in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden ist.

2. Kein dienstliches Interesse am Hinausschieben des Ruhestandsbeginns im Fall eines Fachhochschulpräsidenten, der sich darauf berufen hatte, die Umstrukturierung der Studiengänge sowie die Begleitung beim Neubau der Fachhochschule erforderten eine Verlängerung seiner Dienstzeit.

3. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Regelung einer festen Altersgrenze ein fingiertes dienstliches Interesse am Ruhestandsbeginn mit Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde liegt und deshalb ein Hinausschieben des Ruhestands nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht kommt. Allein spezielle Kenntnisse und langjährige Berufserfahrung sind hierfür nicht ausreichend.

4. Die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf berührt nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.09.2006 - 2 B 10951/06.OVG -). 

Verwaltungsgericht Mainz

7 L 683/06.MZ

 

Beschluss

 

wegen Hinausschiebens des Ruhestands hier: Antrag nach § 123 VwGO

 

hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der Beratung vom 21. September 2006, an der teilgenommen haben Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Faber-Kleinknecht
Richterin am Verwaltungsgericht Zehgruber-Merz
Richter am Verwaltungsgericht Meyer-Grünow
 beschlossen:

 

Der Antrag wird abgelehnt.

 

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 19.684,50 € festgesetzt.

 

Gründe

 

Der Antrag des Antragstellers, mit dem dieser im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO begehrt, dem Antragsgegner aufzugeben, den Eintritt seines Ruhestandes mit Ablauf des 30.April 2007 um ein Jahr bis zum 30. April 2008 hinauszuschieben, bleibt erfolglos.

 

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO). Unter Beachtung dieser Grundsätze kommt bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung vorliegend der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

 

Vorliegend vermochte der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft zu machen, weshalb es schon deshalb an den rechtlichen Voraussetzungen einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlt. Denn er hat keinen Anspruch auf Hinausschieben des Ruhestandsbeginns glaubhaft gemacht. Nach § 55 Abs. 2 Landesbeamtengesetz – LBG – kann die oberste Dienstbehörde auf Antrag des Beamten den Eintritt in den Ruhestand, wenn es im dienstlichen Interesse liegt, über das vollendete 65. Lebensjahr hinaus um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht überschreiten darf, hinausschieben, jedoch nicht über die Vollendung des 68. Lebensjahres hinaus (vgl. zur Frage, ob § 55 Abs. 2 LBG auch dem Schutz der subjektiven Rechte des Beamten zu dienen bestimmt ist: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. September 2004 – 2 B 11470/04.OVG – DVBl. 2005, Seite 330).

 

Vorliegend ist die Entscheidung des Antragsgegners, den Ruhestandsbeginn im Fall des Antragstellers wegen fehlenden dienstlichen Interesses an einer Verlängerung des aktiven Dienstes nicht über das vollendete 65. Lebensjahr hinauszuschieben, nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Das dienstliche Interesse im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 LBG richtet sich ausschließlich nach dem gesetzlichen Auftrag der Behörde und den dort vorhandenen personalwirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten. Es bezeichnet das Interesse des Dienstherrn an einer sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung. Über das Vorliegen des dienstlichen Interesses befindet der Dienstherr ohne Beurteilungsspielraum, so dass seine diesbezügliche Entscheidung grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das dienstliche Interesse maßgebend durch verwaltungspolitische Entscheidungen des Dienstherrn (vor-) geprägt wird, die ihrerseits gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind. Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, in Ausübung der ihm zugewiesenen Personal- und Organisationsgewalt zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie auf die einzelnen Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch bestmöglichen Einsatz von Personal sowie der zur Verfügung stehenden Sachmittel sicherzustellen. Angesichts der dem Dienstherrn insoweit zukommenden Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit ist die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidungen auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von diesem in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden ist (so OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. September 2004, a.a.O.).

 

Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die durch den Antragsgegner erfolgte Verneinung des dienstlichen Interesses am Hinausschieben des Ruhestandsbeginns. Im Hinblick auf das dienstliche Interesse verweist der Antragsteller auf die durch die Einführung neuer Studiengänge sowie den Neubau der Fachhochschule geprägte aktuelle Situation, die sein Verbleiben im Amt aus Gründen der Kontinuität dringend erforderlich mache. Demgegenüber hat der Antragsgegner in seinem Ablehnungsschreiben vom 11. Mai 2006 ausgeführt, dass das Amt eines Hochschulpräsidenten im Hinblick auf wünschenswerte Innovationen im Hochschulbereich von vornherein als Zeitbeamtenverhältnis mit relativ kurzer Amtszeit ausgestaltet und von daher auf personellen Wechsel ausgelegt sei. Bei den vom Antragsteller genannten durchaus wichtigen Aufgaben handele es sich jedoch um die regulären Dienstaufgaben eines Hochschulpräsidenten, die unabhängig von einer bestimmten Person erfüllt werden könnten, zumal es sich um kontinuierlich fortschreitende Entwicklungssituationen handele. Im Rahmen der Antragserwiderung verweist der Antragsgegner darüber hinaus noch darauf, dass die Umstellung der Studiengangsstrukturen auf Bachelor- und Masterstudiengänge nach der Geschäftsverteilung der Fachhochschule nicht von dem Antragsteller selbst, sondern vom Vizepräsidenten der Fachhochschule begleitet wird. Auch hätte ein Wechsel im Präsidentenamt auf die vom Antragsteller als erforderlich angesehene Kontinuität bei der Begleitung des Neubaus keine Auswirkungen, denn für die Kontinuität der Baubegleitung seien der von der Fachhochschule benannte Baubeauftragte und dessen Vertreter zuständig.

 

Nach diesen sachlichen und nachvollziehbaren Begründungen ist jedoch eine kontinuierliche Erfüllung der Aufgaben des Präsidenten gewährleistet und damit auch kein dienstliches Interesse an einer Verlängerung der aktiven Dienstzeit des Antragstellers gegeben. Dass die genannten und aufgrund der gegebenen Organisationsstruktur nachvollziehbar sachlich gerechtfertigten Erwägungen nur vorgeschoben worden und in Wahrheit persönliche Differenzen Grund für die Ablehnung gewesen seien, kann aus möglichen unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner zu hochschulpolitischen Fragen allein nicht gefolgert werden.

 

Im Übrigen ist bei der Beurteilung, ob ein dienstliches Interesse im Sinne des § 55 Abs. 2 LBG gegeben ist, grundsätzlich auch die allgemeine gesetzliche Wertung zu berücksichtigen. Denn der Regelung einer festen Altersgrenze in § 54 Abs. 1 LBG liegt ein fingiertes dienstliches Interesse am Ruhestandsbeginn mit Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde (vgl. Bayr. VGH, Beschluss vom 26. Januar 1993 – 3 CE 93.79, NVwZ- RR 1994, Seite 33). Da diese Vorschrift zu dem hier streitgegenständlichen § 55 Abs. 2 LBG in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis steht, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr ein dienstliches Interesse am Hinausschieben der Ruhestandsgrenze nur in ganz besonderen Fällen annimmt. Ein solcher Fall ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn der Beamte innerhalb seines Aufgabenbereichs über spezielle Kenntnisse verfügt, denn dies wird bei einer langjährigen Berufserfahrung regelmäßig der Fall sein. Auch unter diesem Aspekt reichen die hier vom Antragsgegner angestellten Erwägungen für eine rechtsfehlerfreie Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der aktiven Dienstzeit aus.

 

Die vom Antragsteller hiergegen erhobenen Einwände rechtfertigen keine andere Beurteilung. Soweit der Antragsteller zunächst darauf verweist, die Vorschrift des § 55 Abs. 2 LBG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass im Hinblick auf das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen die Dauer der Wahlperiode für das Präsidentenamt zu respektieren und deshalb der Ruhestandsbeginn hinauszuschieben sei, widerspricht dem bereits § 81 Abs. 1 Satz 2 Hochschulgesetz - HochSchG -. Danach setzt der Eintritt in den Ruhestand nach Ablauf der Amtszeit oder mit Erreichen der Altersgrenze voraus, dass bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Für den Eintritt in den Ruhestand knüpft der Gesetzgeber damit neben dem Ablauf der Amtszeit gerade auch an das Erreichen der beamtenrechtlichen Altersgrenze an. Eine Regelungslücke, die einer Ausfüllung im Wege der Auslegung bedürfte, besteht somit aber nicht.

 

Auch der Hinweis auf die in § 183 Abs. 2 Satz 2 LBG normierte Altersgrenze (Vollendung des 68. Lebensjahrs) für Kommunalbeamte auf Zeit, die von den Bürgern gewählt sind, geht fehl, denn insoweit handelt es sich um einen mit der Situation des Antragstellers nicht vergleichbaren Sachverhalt, für den der Gesetzgeber eine von dem Grundsatz des § 54 Abs. 1 LBG abweichende Gewichtung im Rahmen einer Sonderregelung vorgenommen hat.

 

Des Weiteren sind auch die vom Antragsteller im Hinblick auf seine Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) angestellten Erwägungen nicht geeignet, das erforderliche dienstliche Interesse an einer Verlängerung der Dienstzeit zu begründen. Darüber hinaus erfordert es auch das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung des Prinzips der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 10 Abs. 1 Satz1 LBG) nicht, dass der Antragsteller über die Altersgrenze hinaus in seinem Amt verbleiben kann. Denn es ist selbstverständlich davon auszugehen, dass auch die Auswahl seines Nachfolgers entsprechend den Grundsätzen der Bestenauslese erfolgen wird.

 

Die Regelung des § 55 Abs. 2 LBG verstößt schließlich auch nicht gegen Vorschriften des Europarechts. Die Richtlinie 2000/78EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gebietet ebenfalls nicht, Hochschulpräsidenten über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus ihr Amt im Rahmen der Amtszeit, für die sie gewählt worden sind, ausüben zu lassen. Die Richtlinie 2000/78/EG berührt nach Nr. 14 der Begründungserwägungen nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand. Diese Begründungserwägung gibt gemäß Art. 253 EG-Vertrag einen der Gründe wieder, von dem der Rat als zuständiges Organ sich bei Erlass der Richtlinie hat leiten lassen, ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Richtlinie und als solcher mitentscheidend für ihre Auslegung. Dies gilt auch dann, wenn die Begründungserwägung nicht in den Text der Richtlinie aufgenommen worden ist (so OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. September 2006 – 2 B 10951/06.OVG-)

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem u.a. diese Richtlinie umsetzenden „Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“ vom 14. August 2006 (BGBl. I, Seite 1897).

 

Nach alledem besteht kein dienstliches Interesse daran, den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand um ein Jahr zu verschieben, weshalb sich wegen Fehlens der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Eingehen auf die weiter angestellten Erwägungen des Antragstellers zur Frage der Ermessensausübung erübrigt.

 

Mithin hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

 

Darüber hinaus bestehen aber zum derzeitigen Zeitpunkt auch Bedenken gegen das Vorliegen des Anordnungsgrundes. Denn es ist unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht ersichtlich, dass insoweit Rechtsschutz nicht auch noch in näherem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ruhestandsbeginn des Antragstellers zum 1. Mai 2007 zur Sicherung seiner Rechtsposition zu erlangen wäre. Das eingeleitete Bewerbungsverfahren um die Nachfolge des Antragstellers allein dürfte jedenfalls nicht ausreichend sein, um die für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderliche Eilbedürftigkeit zu begründen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 52 Abs. 5 Satz 2 i.Vm. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG und entspricht einem Viertel des 13-fachen Betrags des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe B 3.